Die letzte diesjährige Wanderfahrt des Geschichtsvereins galt der Besichtigung der neueren kulturtechnischen Arbeit im Netze- und Warthebruch. An Bord des Dampfers „Glückauf“ gab Regierungsbaurat Griesert von der Kulturabteilung Landsberg an Hand von Karten eine Übersicht über die geschichtliche Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Eindeichungsarbeiten im gesamten Bruchgebiet. Die gewaltige Kolonisationstätigkeit Friedrichs des Großen die rund 50 Prozent des Gebietes – 60 000 Hektar der menschlichen Besiedlung erschloß, blieb unvollendet.
Die Deiche, die im Warthebruch bei Schnellwarthe und Sumatra, im Netzebruch bei Schwalmsberg endeten, überließen die unteren Teile beider Gebiete nach wie vor dem Hochwasser. Hier mußte daher bei der Fortführung der Arbeiten im 19. Jahrhundert begonnen werden. Der Querdeich Sumatra- Sonnenburg wurde erbaut, der Postumkanal verwallt, der rechtsseitige Warthebereich bis Warnick als Sommerdamm weitergeführt, der Wall Morrn – Pollychen angelegt, die Netzemündung weiter unterhalb verlegt. Im linken Netzebruch, das Friedrich II. völlig ungeschützt ließ, kolonisierten adlige Besitzer, insonderheit die Herren von Brand, auf eigene Faust, legten Wege und Gräben an, schütteten aber keine Deiche. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts veranlaßten neue Hochwasser hier die Bildung eines Deichverbandes, der einen kleinen Deich längs der Netze, eine so genannte Uferrehne, errichtete. Die schweren Hochwasser der Jahre 1922, 1924, 1926/27 brachten dem Netzebruche außerordentliche Schäden. Nicht allein wurden die mangelhaft geschützten Flächen, rund 6000 Hektar, völlig überflutet; die monatelange Abschnürung der Gehöfte bedingte neben schwersten wirtschaftlichen Verlusten auch eine allgemeine Gefährdung der Lebensverhältnisse der Siedler. So ergaben beispielsweise die ärztlichen Untersuchungen, daß nur 9 Prozent der Schulkinder einwandfrei gesund waren; über 50 Prozent litten an Strofulose, 20 Prozent an Rachitis. Hilfe des Staates für die bedrohten Gebiete wurde unbedingt erforderlich, nicht zuletzt auch aus nationalpolitischen Gründen. Die vorzunehmenden Arbeiten fanden ihre Zusammenfassung im Warthe – Netzebruch – Gesetz von 1929.
Danach werden die Deiche des Warthebruchs zu Winterdeichen ausgebaut, die 1910 angelegten Schöpfwerke Warnick und Herrenwerder durch elektrische Anlagen modernisiert, und durch eine Zahl neuer Schöpfwerke ergänzt. Im Netzebruch, wo der Kernpunkt der neuen Unternehmungen liegt, wird der Deich von Schwalmsberg bis Zantoch fortgeführt und der schon vom Obersten Petri im 18. Jahrhundert geforderte Randkanal längst der nördlichen Höhen gegraben; Schöpfwerke werden auch hier für künstliche Entwässerung sorgen. Auch das linke Ufer der Netze wird eingedeicht, allerdings wegen der unmittelbar am Fluß gelegenen Gehöfte nur mittels eines Sommerdammes. Im Morrn- Pollychener- Verband muß die fehlende Vorflut durch ein Schöpfwerk ersetzt werden.
In Zantoch wurde die Fahrt zuerst unterbrochen. Von der Swartbrücke aus erläuterte der freundliche Führer den gegenwärtigen Stand der Arbeiten. Dann wurden der Randkanal und die Baugrube des Schöpfwerkes besichtigt. In Schwalmsberg standen die Teilnehmer auf dem historischen Punkte, wo die friderizianischen Bewallungsarbeiten endeten. Von der Christiansauer Fähre aus wanderte man sodann durch Lipkeschbruch, betrachtete die bösen Spuren der letztwinterlichen Hochwasserschäden und überzeugte sich an Ort und Stelle von den schweren Sorgen der Bruchbewohner. Von der Altgurkowschbrucher Fähre ging die Fahrt am Nachmittag zurück und Warthe aufwärts nach Pollychen, wo das bereits fertige neue Schöpfwerk einer eingehenden Besichtigung unterzogen wurde. Ein Spaziergang zum nahen Dorfe und eine Betrachtung der Blitzschäden am Gotteshause beschlossen die Heimatwanderung, die dank der liebenswürdigen und fachkundigen Führung durch Regierungsbaurat Griesert zu einem ebenso interessanten wie genußreichen Erlebnis wurde.Quelle: Neumärkische Zeitung 25. August 1931