Ungefähr in der Mitte zwischen den Städten Landsberg und Driesen liegt an der Ostbahn das Dorf Gurkow im Kreise Friedeberg. Der Ort dehnt sich größtenteils nach dem Netzebruch, südlich der Bahn aus. Er kann in diesem Jahre auf ein 600jähriges Bestehen zurückblicken. Im Jahre 1326 wird er zum ersten Male unter den Ortschaften genannt, die durch den Einfall der Polen und Litauer zerstört wurden. Jedenfalls kann das Alter des Dorfes noch weit höher angenommen werden. Es wird schon bis zur Einwanderung der Slawen im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. zurückdatiert werden müssen. Der Name Gurkow ist entstanden aus dem slawischen Gorka, gleich Werder, Höhe. So erkennt man, daß er zu den Randdörfern des Netzetales gehört. Der Baltische Höhenzug weicht gleich hinter Zantoch von der Bahn zurück und tritt erst bei Altkarbe wieder an sie heran. Die ersten Siedlungen des Ortes sind nicht wie in anderen Orten dem Bachlaufe, hier der Puls, gefolgt. Wahrscheinlich ist, daß der heutige Kirchplatz den ältesten Teil des Dorfes getragen hat. Hier erhob sich in grauer Vorzeit ein Werder, der die nach Süden und Westen liegenden überragte. Hier fanden die ersten slawischen Ansiedler auch die natürliche Hufeisenform, nach der sie ihre Dörfer anlegten, mit der Öffnung nach dem Wasser.
Nach einer alten Sage erhob sich in der Ansiedlung ein heidnischer Tempel, der sicherlich auf dem heutigen Kirchplatz gestanden haben mag. Der andere Teil des Dorfes entstand jedenfalls später bogenförmig an der sumpfigen Mündungsstelle der Zanze in der Puls. Beide getrennten Dorfteile waren durch eine Holzbrücke verbunden. An der Übergangsstelle entstand der schon im 16 Jahrhundert erwähnte Gasthof, der heute im Besitze von Otto Teschner ist. Er führt die Bezeichnung „Zum ehrlichen Seemann“, weil der Vorgänger des T. lange Jahre in der amerikanischen Marine gedient hat. Eine Reihe niedriger Hügel zog sich südlich vom Dorfe bis zur Zanze. Unter ihnen besteht heute noch der so genannte Schaliske (hinter dem Wäldchen). Alle übrigen sind im Laufe der Jahrhunderte zur Auffüllung des Bruchbodens abgetragen worden. Gurkow ist eine slawische Siedlung. die meisten Familiennamen der heutigen Besitzer sind polnischen Ursprungs. Unter ihnen ist der Name „Gohlke“ wohl als der Urname anzusehen, der heute noch überall im Niedernetzbruch vielen Familien eigen ist. Der Name bedeutet „Heidebauer“. Urkundlich steht fest, daß noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hier polnisch gepredigt wurde. Wie mag damals das Dorf ausgesehen haben? Die heute noch verschiedentlich anzutreffenden Blockhäuser entstammen einer viel späteren Zeit. Im Norden erstreckte sich zur Zeit der Entstehung des Ortes dichter Wald bis zur Siedlung. Im Süden dagegen dehnte sich das weite Netzethal, das damals zum größten Teil fast das ganze Jahr hindurch unter Wasser stand und mit dichtem Gebüsch der Weiden und Erlen bewachsen war, aus. Ein Reichtum von allerlei Wild und Geflügel war im Walde und Moor anzutreffen. Im Jahre 1787 ist am Zanzhammer der letzte Bär erlegt worden.
Die Wohnungen der damaligen Bewohner, ihre Kleidung und Nahrung waren gewiß recht bedürftig. Der „Mönch von Lebus“ schilderte in seiner Chronik die alte Neumark: „Das polnische Volk war arm und faul. Es bestellte den Boden mit krummen Hölzern und verstand nur mit Kühen zu ackern. Kein Salz, kein Metall besaß es; auch hatte es keine guten Kleider, ja nicht einmal Schuhe. Nur seine Herden weidete es.“ Die Beschreibung wird wohl auch auf die damaligen Bewohner Gurkows gepaßt haben. Sie lungerten in den Wäldern herum und betrieben den über alles geliebten Fischfang, die Bienenzucht und etwas Viehzug und dürftigen Ackerbau. Als Fischer waren die Gurkower ganz bedeutend. In der Puls gab es die schmackhaften Forellen. In der Netze und in den stehenden Gewässern des Friedeberger Stadtbruchs fingen sie alle anderen Arten von Fischen.
Aber auch als Fischräuber waren die Gurkower gefürchtet. B. Brenkenhoff noch mußte verordnen, „wenn sich ein Gurkower mit Fischerzeug an den von ihm angelegten Karpfenteich in Steinhöfel sehen ließe, so sollte er sogleich als Fischdieb angesehen und in den Turm gelegt werden.“ Auch Unglücksfälle unserer Fischer waren in dem gefährlichen Bruch nicht selten. Daher verordnete der Rat der Stadt Friedeberg: „Da die Bauern in Gurkow alle Vierteljahr ihren Herrn Pfarrer mit einem guten Gericht Fische bedenken sollten; damit derselbe ihnen zu danken und Gott um reiche Benedeiung der Fischgewässer und um göttliche Abwendung kläglicher Todesfälle und Rettung in Leibes- und Lebensgefahr der Fischer öffentlich und sonderlich herzinnig anzurufen Ursache haben möchte.“ Aus dieser Verordnung kann man sehen, welche Bedeutung dem Fischfang beigelegt wurde. Große Bedeutung hatte auch die Bienenzucht in der damaligen Zeit. Sie wird schon im Friedeberger Privileg 1499 erwähnt. In den weiten Wäldern umher hatten die Imker ihre Bienenstände. Aus dem Honig bereiteten sie den berauschenden Met, dem sie oft und reichlich zusprachen. Späterhin mußten die Gurkower einen hohen Honigzins entrichten. Selbst in der Wildenower und der Trebitscher Forst zeidelten sie. Dafür mußten sie dem Kloster Himmelstädt und der Stadt Driesen eine Abgabe zahlen. Bei der Viehzucht wurde vor allem das Schwein gezüchtet. Darauf weisen der „Blutzehnt“ und die ziemlich erheblichen Eisbeinlieferungen an Küsterei und Pfarre hin. Diese Lieferungen reichten noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts. Aus dieser Zeit hat sich auch noch ein ergötzliches Geschichtchen erhalten. Die Eisbeine mußten in weiße Tücher gewickelt werden. Ein Bäuerlein hatte aber für den Pfarrer gar zu dünne Eisbeine geliefert und der machte ihm Vorwürfe. Da sagte der Bauer lächelnd: Herr Pfarrer, dem Toten muß man doch nur Gutes nachreden.
Am wenigsten wurde der Ackerbau betrieben, denn dem Boden, wenn er nicht Moor war, mangelte die Humusschicht. Es wurde gemeinsam geackert und nur so viel gebaut, als zum Unterhalt des Dorfes diente. Reichte die Ernte nicht aus, nahm man im nächsten Jahre ein neues Stück unter den Hakenpflug, der von Rindern gezogen wurde.
Zu Anfang des 14. Jahrhunderts kam das Fischerdorf Gurkow durch den Markgrafen Ludwig an die Stadt Friedeberg. Der alte Lehnsbrief ging verloren und wurde daher am 24. August 1337 erneuert. Aus dem Jahre 1338 wird berichtet, daß der Stadtschulze Ludkin dem Markgrafen Ludwig 3 ½ Frusten Brandenburgische Pfennige aus dem Lehen von Gurkow überließ. Drückend war für die Gurkower die Abhängigkeit von der Stadt Friedeberg. Oft begehrten sie auf gegen die Last; es kam sogar zum offenen Landfriedensbruch.
In den alten Urkunden der Stadt sind eine große Anzahl schwerer Abgaben, die Gurkow zu leisten hatte, enthalten: Honigzins 20 Taler, Bede 9 Taler, und anderes mehr. Noch schwerer aber waren die persönlichen Leistungen. Jeder Bauer mußte zurzeit der Saat und Ernte wöchentlich dem Rate vier Tage Dienst tuen, bei der Vermeidung der Pfändung. Jährlich hatte er das Holz aus dem Stadtforst für Arzt und Archiediakonus anzufahren. Am Wolfslaufen (Treiberdienste) hatte er sich zu beteiligen. Die Polizeigewalt besaß damals der Lehnschulze. (Das alte Lehnschulzengut liegt noch heute am Ostausgang des Dorfes.) Er war den angeführten Verpflichtungen nicht unterworfen. Er hatte im Kriegsfalle aber ein Pferd zu stellen. Später zahlte er stattdessen dem Rate jährlich 10 Taler. Das Lehnschulzengut bestand bis 1878. Der letzte Schulze hieß Klug. Oft erschienen einzelne Ratsmitglieder, zuweilen auch der gesamte Rat der Stadt im Dorfe. Dann wurde die Glocke geläutet, zum Zeichen, daß die Gemeinde sich versammeln sollte, weil der Rat mit ihr reden wollte.Quelle: Neumärkische Zeitung 14. November 1926