Die asiatische Cholera im Kreise Königsberg

Es sind am 13. November hundert Jahre verflossen, daß im Kreise Königsberg (Nm.) der letzte Fall der asiatischen Cholera beobachtet wurde. Dieser „unheimliche Gast aus Vorderasien“ konnte, weil mit der inländischen Cholera oft verwechselt, verhältnismäßig leicht bei uns eindringen und verbreiten. Die Abwehrmaßnahmen blieben aber, als die gefährliche Krankheit erkannt worden war, noch längere Zeit zu primitiv, um dieser Seuche schnell Herr zu werden.

In unseren Kreisen ist der erste Fall der Erkrankung an asiatischer Cholera am 10.8.1831 in der Ratsschäferei bei Küstrin festgestellt worden. Es starben von den 10 Erkrankten 8. Groß-Neuendorf folgte mit 25 Erkrankungen und 18 Todesfällen, Schramsendorf mit 37 und 23. Jädickendorf mit 15 und 9, Neukarlshof mit 6 und 1, Küstrin mit 34 und 20, Pätzig mit 3 und 3, Zachow mit 2 und 2, Kutzdorf mit 11 und 4, Bellinchen mit 7 und 2, Drewitz mit 3 und 2, Königsberg mit 14 und 9, Kietz bei Küstrin mit 1 und 1. (Nach Rackwitz: Die asiatische Cholera in der Neumark.) Die letzte Erkrankung im Kreise Königsberg wurde im Kietz bei Küstrin beobachtet. Wie mitgeteilt wird, ist die Seuche auch in Klemzow aufgetreten und hat ihre Opfer gefordert. Die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle im Kreise Königsberg betrug 168 und 102. Die Gesamtzahl der Erkrankungen und Todesfälle in der Neumark belief sich auf 1856 und 1045. Vergleichen wir diese Zahlen mit der Gesamtzahl für den Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) mit 2087 Erkrankten und 1194 Toten so ersehen wir, daß die Neumark in erster Linie diese Seuche hat zu spüren bekommen. Der Kreis Königsberg steht innerhalb der Neumark an fünfter Stelle, während der Kreis Friedeberg am schwersten und der Kreis Soldin am leichtesten betroffen wurde. Der östliche Teil unseres Kreises blieb völlig verschont.

Verdiente das Verhalten der Ärzte und des Pflegepersonals durchaus Anerkennung, so unglaublich war recht oft das Verhalten der Bevölkerung. Das hatte zur Folge, daß sich die Seuche ausbreitete. Die ersten Choleraleichen wurden in vielen Dörfern mit großem Gepränge und lebhafter Beteiligung der Bevölkerung bestattet und in den Sterbehäusern der übliche Leichenschmaus eingenommen. Das geschah entgegen den Anordnungen der Behörde. Es kam vor, daß vom Pöbel die gesperrten Häuser regelrecht erstürmt und die Leichen unter großem Gefolge bestattet wurden. Die Ärzte, die auch dagegen machtlos waren, wurden beschuldigt, daß sie den Kranken Gift gegeben hätten. Diesen Unverstand mußte besonders die niedere Bevölkerung recht hart büßen. Die sich häufenden Opfer brachten die Leute endlich soweit zur Vernunft, daß die behördlichen Bestimmungen einigermaßen befolgt wurden.

Bei den Ärmsten, Tagelöhnern, kleinen Handwerkern, fand die Cholera den Besten Nährboden infolge der schlechten, unwürdigen Wohnungen, der gröbsten Unreinlichkeiten und der überaus schlechten Ernährung. Der im November einsetzende Winter mit starkem Frost, die schärfer durchgeführten Bestimmungen und die größere Einsicht der betroffenen Bevölkerung brachten die grausame Seuche zum Erlöschen.

Quelle: Neumärkische Zeitung 4. März 1932